Kunstausstellung
WOLFGANG RITTER
"SKULPTUREN"
o.T. 10-2016, Dolerit, 88x55x28cm
Eröffnung: Freitag, 16. März 2018, 19.30 Uhr
Eröffnungsrede: ROMAN GRABNER, Leiter des BRUSEUMS an der Neuen Galerie Graz am Universalmuseum Joanneum
Ausstellung: 17.3.-1.6.2018
Ausstellungsbericht von Michaela Reichart in der Kronenzeitung vom 22.3.2018
Ein Film über die Ausstellungseröffnung WOLFGANG RITTER "SKULPTUREN" vom 16. März 2018 von ALFONS BOCHMETZ und PETER LESKOSCHEK
WORKSHOP zur Kunstausstellung WOLFGANG RITTER: "Auf der Suche nach ungewöhnlichen Blickwinkeln in der Skulpturen-Ausstellung von Wolfgang Ritter"
EVA FÜRSTNER
IM GESPRÄCH MIT
WOLFGANG RITTER
EF: Betrachtet man deine Arbeiten im Laufe der Jahre, ist ein Prozess der Reduktion erkennbar. Von polygonalen Formen und Kombinationen unterschiedlicher Materialien erfolgt eine Fokussierung auf Stein, meist auf wenig marmoriertes Gestein, auf Kugel- und Ellipsenformen mit Schnitten. Insofern ist die Ausstellung hier im Museum der Wahrnehmung von acht Bodenskulpturen aus feinkristallinem Dolerit mit derselben Oberflächenbehandlung eine Konsequenz dieser Fokussierung. Wie siehst du deine Entwicklung als Steinbildhauer von der Ausbildung bis heute?
WR: Als Steinbildhauer müssen Sachverstand und Handfertigkeiten im Umgang mit Stein erlernt werden. So entschied ich mich, vor dem Studium der Bildhauerei, eine Handwerkslehre zu absolvieren. Im Studium beschäftigte ich mich mit unterschiedlichen Materialien, Techniken, Prozessen, Kombinationen usw. um zu neuen skulpturalen Lösungen zu gelangen. Erst danach, nach der Rückkehr ins steinreiche Fichtelgebirge, fokussierte sich die bildhauerische Arbeit wieder auf den Stein. Mein Interesse an konstruktiven, konkreten Formen brachte mich letztendlich zu diesem gleichmäßigen, kristallinen, schwarzen Stein – dem Dolerit – den wir hier in der Ausstellung sehen.
EF: Bei deiner hier ausgestellten Skulptur Nr. 3, ohne Titel 10/2016, Dolerit, 88x55x28 cm, welche in einem Detail auch am Ausstellungsfolder zu sehen ist – wie bist du da vorgegangen? Wie sieht dein Arbeitsprozess aus? Wie lange arbeitest du an einer Skulptur im Schnitt? Gerade bei Steinbildhauerei, einer mittlerweile eher selteneren Kunstgattung, ist das für viele KunstbetrachterInnen aus Mangel an Erfahrung schwer vorstellbar. Im Unterschied zu Bleistift und Pinsel hantieren wenige im Laufe ihrer Schulbildung mit entsprechendem Steinbearbeitungswerkzeug. Meine Frage fußt auf Fragen von BesucherInnen deiner Ausstellung im MUWA, die Überlegungen zur Bearbeitung anstellen.
WR: Die plastische Idee entwickelt sich in Handskizzen. Im nächsten Schritt wird sie in Entwurfszeichnungen nach harmonischer Maßordnung und Gesetzmäßigkeiten in wirklicher Größe, mit Zirkel und Lineal, übertragen. Ihre Ausdehnung ist eine, am eigenen körperlichen Empfinden, angelegte Größe. Vor dem Entschluss der Umsetzung wird die Zeichnung längere Zeit im Wohnumfeld aufgehängt und auf ihre Beständigkeit hin untersucht. Für die Umsetzung von konstruktiven Formen in Stein, welche vornehmlich aus einem vorgesägten Quader gearbeitet werden, benötigt man Schablonen, die aus den Zeichnungen abgenommen werden, sowie Achsen, Bezugsebenen und Ansatzpunkte für die Übertragung. Zur Steinbearbeitung benutze ich Pressluft- und Diamantwerkzeuge. Die eigentliche Umsetzung ist frei von Spontanität. Sie unterliegt einer strengen Disziplin. An die hundert Stunden hat die Arbeit an der Skulptur „ohne Titel 10/2016“ gedauert.
EF: Alle acht hier ausgestellten Skulpturen sind matt poliert, absorbieren damit das Licht, erhalten je nach Lichteinfall der künstlichen Beleuchtung wie auch durch das, die abgeklebten Fensterscheiben durchdringende natürliche Tageslicht lediglich einen leichten Schimmer. Beim Besuch deines Ateliers in Wunsiedel hast du uns auch hochglänzende Skulpturen gezeigt, welche – je nach Lichteinfall - die Umgebung sehr stark reflektieren, diese damit miteinbeziehen. Bei diesem matten Schliff wird die Konzentration stärker auf die Arbeiten gelenkt, der Dialog entsteht eher zwischen BetrachterIn und Skulptur, fernab der Umgebung. Überdies wird bei vielen der Reiz ausgelöst, deine Skulpturen berühren zu wollen. Du hast in einem Interview einmal gesagt, dass „Glanz nicht vom plastischen Geschehen ablenken“ solle. Welche Rolle spielt die Oberfläche im Gefüge deiner Arbeit?
WR: Weniger, dass das Licht die Körper modelliert; es wird eher vom Schwarz des Steins absorbiert und zeigt sich als matter Schimmer, der aus der Tiefe des Steins die Oberfläche zu überziehen scheint. Die Skulptur besitzt eine kompakte Körperlichkeit und ruht in sich selbst. Dies steht im Gegensatz zu der bewegten Zusammenstellung des Aufbaus.
EF: Wenden wir uns dem plastischen Geschehen, deinen Formen zu. Bereits in deinen frühen, beispielsweise den polygonalen Arbeiten, gibt es oftmals den Dialog von zwei Formen innerhalb einer Arbeit, dieses „Kommunizieren“ zieht sich in vielen Arbeiten bis heute durch. Deine Formen, wie etwa Kugel- oder Ellipsen-Formen/Variationen mit Schnitten, sind nach genauen mathematischen Richtlinien herausgearbeitet und positioniert. Innerhalb deiner mehrteiligen Arbeiten geht es um ein Zusammenfügen, ein neu Ordnen durch Gegenüberstellen, durch paralleles Positionieren, etc. Wie gehst du da vor, beispielsweise in der Arbeit 2, ohne Titel 6/2017, Dolerit, 120x40x22 cm?
WR: Aus dem Verbund von drei halben Ellipsoiden wird dem Gefüge die mittlere Form entnommen und durch eine virtuelle Grundfläche ersetzt. Beide, die Negativform und die steinernen Positivformen stehen gleichwertig nebeneinander in einer wechselseitigen Beziehung. So können auch weitere spannende Konstellationen, die den Raum öffnen oder zusammenpressen, durch Bewegungsaktionen, wie zum Beispiel durch Klappen, Drehen, Verschieben, Überlagern, usw. entstehen.
EF: Du schaffst fast ausschließlich Bodenskulpturen, welche im Grunde keinen Sockel dulden. Das wurde in der Ausstellung hier nicht ganz durchgehalten, wir haben uns in Absprache mit dir auf die Positionierung deiner Skulpturen auf grau gefärbten Holzplatten entschieden. Dies ist einerseits dem nötigen Kontrast zum ebenso matt schimmernden, schwarzen Gussasphaltboden hier im Museum geschuldet und andererseits dem Schutz deiner Arbeiten durch minimale Abgrenzung. Obwohl aus hartem Dolerit und von hohem Gewicht (einige Skulpturen wiegen 200 kg und mehr) sind diese Skulpturen an den Kanten und Ecken sehr zerbrechlich. Einige der Formen weisen einen schwebenden Charakter auf, da ihre Auflagefläche sich der Betrachtung entzieht, wie in der Arbeit 8, ohne Titel 5/2015, Dolerit, 120x68x8 cm. Bereits mehrmals habe ich erlebt, wie SchülerInnen oder BesucherInnen sich spontan auf den Boden legen oder niederknien und sich damit auf die Höhe deiner Skulpturen, welche hier zwischen 8 und 30 Zentimetern variiert, begeben. Worin liegt für dich die Faszination für Bodenskulpturen?
WR: Die so verwendeten Platten stellen leider eine Notlösung dar. Sockel, als hervorhebende Figurenträger, empfinde ich als Fremdkörper - sie schaffen Distanz. Die Bodenskulptur müsste auf gleichem Niveau wie der Betrachter stehen. Sie ist ortsgebunden und von oben überschaubar. Die horizontale Ebene ist ihr Entfaltungs- und Handlungsraum. Der Betrachter ist aufgefordert zu entdecken. Er wird zum Mitakteur. Durch seine eigene Bewegung, durch Umrunden, Annähern, Entfernen von der Skulptur, nimmt er mannigfaltige Positionen ein. Die Standpunkte wechseln. Neue Erfahrungen, neue körperhafte Bezüge zwischen Mensch und Skulptur stellen sich ein.
EF: Sich auf die Höhe deiner Skulpturen zu begeben, eröffnet ungewöhnliche Blickwinkel auf die Skulpturen, erlaubt Durchblicke und das Spiel mit den Dimensionen, betrachtet man sie aus nächster Nähe. Dies hat uns zum Workshop inspiriert, nämlich SchülerInnen Aufnahmen deiner Skulpturen aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit ihren Smartphones machen zu lassen. Eine Fotografie von Skulpturen erscheint als schwierige Disziplin und zugleich als spannende Übung individueller Fokussierung. Gerade in der fokussierten Betrachtung deiner Arbeiten in der Ausstellung stellt sich für mich die Frage, wann die Arbeit an einer Skulptur für dich abgeschlossen ist.
WR: Eine skulpturale Arbeit ist für mich fertiggestellt, wenn sie eigenständig ist und in sich funktioniert – ein kleiner Kosmos für sich. Durch die Wechselseitigkeit von Positionierung der abgewandelten geometrischen Grundformen mit dem in sich ruhenden Material der Einzelformen, entsteht ein Spannungsfeld zwischen Statik und Dynamik, ein Dialog innerhalb des Verbunds. Mit der Entscheidung der Umsetzung einer Idee in Stein ist das Ziel gesetzt. Die plastische Vorstellung sollte dann klar sein. Besondere Sensibilität ist auf den Endschliff zu richten.
EF: Du hast in einem Interview einmal gesagt: „Durch Skulptur ein Gefühl von Zeit entstehen zu lassen, das würde mich faszinieren.“
Zeit ist ein schwer fassbarer Begriff, obwohl Zeit unseren Tagesrhythmus bestimmt und wir mit der messbaren Zeit vertraut sind. Jeder künstlerische Prozess erfordert Zeit, ob das Abdrücken auf den Auslöser beim Fotografieren oder die vielen Stunden, die du für deine Arbeiten benötigst. Zeit kann in der Dauerhaftigkeit des Materials liegen, z. B. Stein als ein lange überdauerndes Material im Unterschied zu einem Foto vielleicht. Wie kann für dich ein Gefühl von Zeit durch Skulptur entstehen?
WR: Die Form, das Material und die Bearbeitung sollen eine Einheit ergeben und wechselseitige Spannungen in ein Gleichgewicht überführen. Ein Zur-Ruhe-Kommen und am schöpferischen Akt teilnehmen. - Vielleicht war damit Zeit gemeint.
WOLFGANG RITTER
„SKULPTUREN“
„Im zeitlichen Prozess der Veränderung einen bestimmten Moment festhalten“. WOLFGANG RITTER fokussiert im Hinblick auf sein künstlerisches Schaffen als Steinbildhauer den von großer Achtsamkeit und Aufmerksamkeit geprägten Entstehungsprozess seiner Skulpturen und einen nicht genau einschätzbaren Zeitpunkt der Formwerdung.
Der Künstler präsentiert in der Ausstellung im Museum der Wahrnehmung MUWA aus seinem œuvre acht Steinskulpturen aus schwarzem feinkristallinem Dolerit, dessen Eigenschaften wie Härte, Dichte und gleichmäßige Struktur ihm Dauerhaftigkeit und Zeitlosigkeit vermitteln und der Darstellung seiner skulpturalen Vorstellung entgegenkommen.
Die präzisen Formen und homogenen Oberflächen zeugen von einer hohen Qualität der Bearbeitung. Ein seidiger Schimmer überzieht die Flächen, welche eine undurchlässig erscheinende Verdichtung und Geschlossenheit erfahren und damit das Terrain natürlicher Materialität zu verlassen scheinen.
Den Skulpturen liegen genau bemessene Kreisformen zugrunde, geteilt von gebogenen oder geraden Schnitten. „Skulptur ist Spannung im Gleichgewicht“. Die Formen von WOLFGANG RITTER entwickeln eine Dynamik, ob bei einer Mono-Skulptur oder im Dialog innerhalb einer mehrteiligen Arbeit durch gezielte Positionierung mittels Drehen, Klappen, Auseinanderziehen, Wiederholen oder Nebeneinanderreihen der einzelnen Teile und letztlich auch im Kontext der Zusammenstellung in der Ausstellung hier im Museum der Wahrnehmung. Die dynamische Komponente erfährt schließlich ihre Fortsetzung in der Betrachtung der Werke, deren Erhöhung und damit auch deren Überhöhung der Künstler keinesfalls anstrebt. Auf einer Ebene mit den am Boden positionierten Bildhauerarbeiten bewegen sich die BetrachterInnen und ändern ständig ihren Standpunkt und ihr Verhältnis zu den Skulpturen.
Eva Fürstner
WOLFGANG RITTER
“SCULPTURES”
“Retaining a certain moment in the temporal process of transformation”. WOLFGANG RITTER focuses in his artistic creation as stone sculptor the process of formation of his sculptures which is affected by huge attentiveness and thoughtfulness and an unpredictable point in time where the shape appears.
The artist presents in the exhibition in the Museum of Perception MUWA out of his oeuvre eight sculptures of black microcrystalline dolerite whose characteristics like rigidity, density and equal structure procure to him permanency and timelessness and accommodate with the representation of his sculptural idea.
Accurate shapes and homogeneous surfaces attest to the high quality of execution. Silky shimmer covers the areas which receive a compacting and a closeness appearing impermeable and seem to leave the field of natural materiality.
Exactly calculated circle forms constitute the basis of the sculptures, split by curved or linear cuts. “Sculpture is balanced tension”. The shapes of WOLFGANG RITTER develop dynamics whether in a mono-sculpture or in dialogue within a segmented work through targeted positioning of singular parts via turning, flapping, dividing, repeating or ranking in juxtaposition and finally also in the context of the arrangement of the exhibition here in the Museum of Perception. The dynamic element is to be continued in the contemplation of the works whose rising and for this reason also whose super elevation is not at all pursued by the artist. On the same level as the sculptural works on the floor observing visitors move and change constantly their position and their relation to the sculptures.
WOLFGANG RITTER, geboren 1961 in Backnang, Deutschland, hat sein Studium an der Hochschule der Bildenden Künste in Braunschweig, mit Diplom in Freier Kunst, Fachrichtung Bildhauerei, absolviert. Der Künstler war Meisterschüler bei Professor Heinz-Günter Prager und Graduierten-Stipendiat des Landes Niedersachsen. WOLFGANG RITTER lehrt an der Staatlichen Fachschule für Steintechnik und Gestaltung in Wunsiedel, Bayern, wo er auch lebt. Er hat zahlreiche Ausstellungen bestritten, u.a. an der Hochschule der Bildenden Künste Braunschweig, im Rahmen von "germinations 7" - Europäische Biennale junger Künstler, im Centre National d'Art Contemporain Grenoble, auf Schloss Agathenburg bei Stade, im Kunst Foreningen in Kopenhagen, im Oberschlesischen Kulturzentrum Kattowitz und im Kunstverein Salzgitter (1993), in der Galerie Barlach in Hamburg (1996), im Museum Modern Art Hünfeld (2006 und 2011), im Rahmen des Kolloquiums "Das Helle und das Dunkle" im Forum Konkrete Kunst Erfurt (2008), im Institut für Konstruktive Kunst und Konkrete Poesie in Rehau (2007 und 2010), in der Galerie Goller in Selb, in der Galeria EL in Elblag (2011) sowie im Kunstverein Hof (2013).
ROMAN GRABNER ist Leiter des BRUSEUMs an der Neuen Galerie Graz am Universalmuseum Joanneum. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Kunst nach 1960 mit dem Fokus auf Performance und Zeichnung. Er hat zahlreiche Ausstellungen kuratiert und Texte für Publikationen verfasst. Zu einer Auswahl seiner Ausstellungen gehören „Wie du mir. Gegenbilder für transkulturelles Denken und Handeln“ (Graz, 2008), „1968. Die Große Unschuld“ (Bielefeld, 2009), „Prometheus!“ (Graz, 2010), „Mutter. Neue Bilder in der zeitgenössischen Kunst“ (Graz, 2010), „PRIGOV. Die Textarbeiten des Dmitrij Aleksandrovic“ (Graz, 2011), „Die Gärten in der Exosphäre. Dichtungen und Bild-Dichtungen von Günter Brus“ (Graz, 2012), „Ausflüge auf die Bühne. Arbeiten fürs Theater von Günter Brus“ (Graz, 2013), „Damage Control. Body Art and Destruction 1968 – 1972“ (Graz, 2014), „Das gezeichnete Ich. Zwischen Auslöschung und Maskierung“ (Graz, 2015), Totalansicht. Retrospektive Gerhard Rühm 1952–2015“ (Graz, 2015), Niko Sturm. Schwarzerde (Kiew, 2016), Yoshio Nakajima. Out of the Picture (Graz, 2017).
Zur Ausstellung wird ein eigener Workshop für Schulklassen konzipiert. Demnächst mehr dazu auf www.muwa.at!
Ankündigung der Ausstellung in der Kronenzeitung am 8.3.2018